
Die Zukunft des Off-Highway-Antriebs
Innovationen im Antriebsstrang reduzieren Kraftstoffverbrauch und Emissionen
Die SYSTEMS & Components 2022 rückt technische Highlights für den Einsatz in Off-Highway-Fahrzeugen in den Mittelpunkt, die den Weg in eine emissionsärmere Zukunft weisen. Noch dominiert der Diesel. Aber die Motoren- und Komponentenanbieter diversifizieren im Zuge der Klimadiskussion zunehmend ihr Portfolio und präsentieren eine modulare Palette verschiedener Technologien. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs ist dabei ein fester Bestandteil ihrer Expertise.
Egal ob Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Bauwesen: Wenn es etwas gibt, worauf sich die Hersteller von Großmotoren und deren Komponenten verlassen können, dann ist es die Tatsache, dass jede dieser Branchen ihre ganz eigene Leistungsanforderungen hat. Die Einsatzprofile reichen vom leichten, semi-statischen Betrieb bei Mähdreschern bis hin zu schwerem Wechselbetrieb bei Radladern. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten, was die Anforderungen an drehmomentstarke Arbeitsmaschinen angeht, die schweren Lasten, extremen Staubanfall und harten klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind. Vom 27. Februar bis 5. März 2022 präsentiert die Systems & Components unter dem Motto "Green Efficiency – inspired by solutions" die gesamte Bandbreite an robusten und leistungsfähigen Antriebssystemen.
Dieselmotoren bleiben bis auf weiteres das Mittel der Wahl zum Antrieb vieler Off-Highway-Maschinen. Schwere Muldenkipper, Radlader oder Hydraulikbagger setzen auf die flexiblen Selbstzünder, die in den vergangenen Jahren vor allem im Hinblick auf innovative Niedrigdrehzahlkonzepte, Einspritztechnik und Aufladung immer weitere Optimierungen erfahren haben. Ihre Effizienz- und Emissionswerte erreichen inzwischen ein Niveau, welches vor Jahren noch utopisch erschien. Doch auch wenn die Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren zu deutlich sparsameren Aggregaten geführt hat: Ihr mittlerer Wirkungsgrad ist immer noch weit vom Betriebsbestpunkt entfernt. Hinzu kommen die strengere Abgasnorm EU Stage V sowie der Trend zur Automatisierung und Vernetzung. All dies lässt die Antriebsentwicklung mobiler Arbeitsmaschinen nicht unberührt.
Hybride weiter auf dem Vormarsch
Die Folge: Standen bis dato motorische Maßnahmen bei der Entwicklung von Off-Highway-Antrieben im Mittelpunkt, rücken zunehmend die Aspekte des Downsizing und Downspeeding durch Hybridisierung in den Fokus der Ingenieure. Elektrische Antriebe können als Komponente eines solchen Hybrid-Systems den Verbrennungsmotor unterstützen, indem sie bei Leistungsspitzen zusätzliche Energie zur Verfügung stellen. In Leerlaufphasen kann der Elektromotor, der gleichzeitig als Generator fungiert, den Akku wieder aufladen. Die vom Verbrennungsmotor bereitgestellte mechanische Leistung wird so in elektrische Leistung umgewandelt und lässt sich direkt am Anbaugerät oder am Traktor verwenden. Die Erzeugung und Nutzung elektrischer Leistung erlaubt eine höhere Leistung am Dieselmotor, da diese nicht in den mechanischen Antriebstrang gelangt. So lässt sich beispielsweise ein verhältnismäßig großer Verbrennungsmotor mit einem kleineren Getriebe kombinieren (Getriebe-Downsizing).
Ein weiterer Vorteil der Hybridisierung ist die Möglichkeit, verbrauchssenkende Zusatzfunktionen wie Start-Stopp oder Kurbelwellenstart einzusetzen und Nebenantriebe elektrisch zu betreiben. Elektromotoren können anstelle der mechanischen Hydraulik den konventionellen Diesel-Antriebsstrang entweder im Power-Take-Off-Betrieb unterstützen oder ihn komplett übernehmen. Die neuen Antriebskonzepte ebnen den Weg für Assistenzsysteme, die den Fahrer im Cockpit entlasten. Wohin die Reise geht, zeigte der österreichische Traktorenhersteller Steyr anlässlich der AGRITECHNICA 2019. Die in Hannover vorgestellte Konzeptstudie entstand in Zusammenarbeit mit dem Motoren- und Getriebehersteller FPT Industrial. Herzstück des Schleppers ist ein modularer Hybrid-Elektroantrieb, bestehend aus einem Vierzylinder-Dieselmotor, einem Generator und mehreren Elektromotoren, die sich individuell ansteuern lassen und die Energie dorthin liefern, wo sie benötigt wird. Für den Vortrieb sorgen vier einzelne Radnabenmotoren, welche sowohl vom Generator als auch einer Batterie versorgt werden. Ein mechanisches Getriebe sowie hydraulische Komponenten im Antriebsstrang sind überflüssig. Resultat dieses Systems ist ein hocheffizienter stufenloser Antrieb.
Der "E-Booster" als neuer Mitspieler
Experten wie Dr. Johannes Kech, Leiter der Entwicklung von Turboladern und Fluidsystemen bei MTU in Friedrichshafen, sehen in der elektrisch-unterstützten Aufladung einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Hybridisierung. Zum Einsatz kommen soll die neue Technologie in Motoren oberhalb von 450 Kilowatt für Schiffe, Notstromaggregate und Off-Highway-Fahrzeuge. Das Prinzip dahinter: Ein elektrischer Antrieb wird mit einem klassischen Turbolader gekoppelt, der dadurch elektrisch beschleunigt den Ladedruck früher aufbauen kann. Mit der Technologie lässt sich das Beschleunigungsvermögen und die Lastaufschaltfähigkeit erhöhen – bei zugleich reduziertem Kraftstoffverbrauch und weniger Emissionen. Auch in Betriebszuständen, in denen die Energie an der Turbine normalerweise nicht für einen schnellen Ladedruckaufbau ausreicht, wird dies mit Hilfe des Elektroantriebs ermöglicht. Schaltet die Motorsteuerung die E-Funktion ab, wird der Turbo ganz klassisch als Abgasturbolader betrieben.
Der Ausblick auf die Systems & Components 2022 zeigt: Den Entwicklern und Konstrukteuren steht heute ein großer Systembaukasten zur Verfügung, der sie in die Lage versetzt, neue Hybridantriebe oder elektrohydraulische Lösungen zu realisieren – mit signifikanten Steigerungen der Wirtschaftlichkeit und deutlich reduzierten Betriebskosten. Bis zu 40 Prozent Kraftstoffeinsparung sind denkbar. Elektrifizierte Off-Highway-Maschinen spielen ihre Vorzüge vor allem dann aus, wenn sie in Städten oder Gebieten mit strengen Umweltauflagen zum Einsatz kommen.
Auf dem Weg in eine emissionsärmere Zukunft
Bislang gibt es allerdings nur wenige serienverfügbar umgesetzte Lösungen am Markt. Ein Sachverhalt, den Prof. Dr.-Ing. Marcus Geimer ändern will. Geimer leitet den Institutsteil Mobile Arbeitsmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ziel eines im Dezember 2020 gestarteten Forschungsprojekts ist es, das Potenzial von Hybridantrieben am Beispiel eines Hydraulikbaggers genauer zu untersuchen. Geimer und sein Team konzentrieren sich dabei vor allem auf die elektrischen Niedervoltsysteme im Leistungsbereich von 80 bis 100 Kilowatt. Dem Prinzip "Zero Emissions" folgend sollen mobile Arbeitsmaschinen künftig komplett emissionsfrei fahren. Motor, Getriebe und Elektronik lassen sich unter dieser Prämisse nicht mehr isoliert betrachten. Vor allem im Bereich niedriger Leistungsbedarfe sehen Experten gute Chancen für vollelektrifizierte Motoren, basierend auf modernen Lithium-Ionen-Batterien oder Brennstoffzellen.
Forderungen nach möglichst emissionsarmen Antriebslösungen und wachsende Ansprüche im Hinblick auf Effizienzsteigerung sind nur zwei der Treiber, die auf der Systems & Components 2022 im Fokus stehen. Vorausschauende Wartungskonzepte (Predictive Maintenance), Assistenzsysteme und intelligente Sensoren zählen ebenfalls zum Portfolio der ausstellenden Unternehmen. Die B2B-Platform für die gesamte Off-Highway-Branche bringt die führenden Köpfe aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um die Chancen und Herausforderungen bei der Digitalisierung und Vernetzung mobiler Arbeitsmaschinen auszuloten – ein Thema, das auch in der "Future Lounge", dem Fachforum der Systems & Components, von Ingenieuren und Fachexperten diskutiert werden wird.